Key Takeaways
- Die deutsche Wirtschaft befindet sich in einer kritischen Phase, die durch Deindustrialisierung und eine steigende Zahl von Insolvenzen gekennzeichnet ist. Viele Industrieunternehmen erwägen, ihre Produktion einzuschränken oder ins Ausland zu verlagern.
- Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen hat deutlich zugenommen, wobei die Bereiche Verkehr und Transport, Bau und wirtschaftliche Dienstleistungen besonders stark betroffen sind. Auch bei Großunternehmen lässt sich ein Anstieg der Zahl der Insolvenzen beobachten.
- Energieintensive Industrien und der Automobilsektor stehen vor großen Herausforderungen durch hohe Energiekosten, strenge Umweltauflagen und starke Konkurrenz aus dem Ausland. Diese Faktoren führen zu Umstrukturierungen und Arbeitsplatzverlusten in wichtigen Wirtschaftszweigen.
- Die Arbeitslosenquote steigt, während gleichzeitig die Zahl der Krankmeldungen ein Rekordhoch erreicht hat, was die Wirtschaftsleistung zusätzlich belastet. Der demografische Wandel verschärft den Fachkräftemangel und macht den Standort Deutschland zunehmend unattraktiv.
Die deutsche Wirtschaft durchläuft eine äußerst schwierige Phase, die durch eine beschleunigte Deindustrialisierung, steigende Insolvenzzahlen, eine höhere Arbeitslosenquote und einen höheren Krankenstand gekennzeichnet ist. Diese Entwicklungen stellen eine große Herausforderung dar, die das wirtschaftliche und soziale Gefüge des Landes erheblich belasten. Die jüngste Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) verdeutlicht die Dringlichkeit der Lage: Rund 37 % der befragten Industrieunternehmen erwägen, ihre Produktion einzuschränken oder ins Ausland zu verlagern. Im Jahr 2022 war dies noch bei 21 % der Unternehmen Fall.
Die Zahl der Insolvenzen steigt
Ein Unternehmen ist insolvent, wenn es seinen Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen kann. Wie das Statistische Bundesamt mitteilt, wurden im Juli 2024 mit 1.937 Unternehmensinsolvenzen 22,1 % mehr Unternehmensinsolvenzen gemeldet als im Juli 2023. Im Juli 2024 gab es in Deutschland durchschnittlich 5,6 Insolvenzen pro 10.000 Unternehmen.
Die höchste Rate verzeichnete der Bereich Verkehr und Lagerei mit 10,8 Insolvenzen pro 10.000 Unternehmen. An zweiter Stelle lag das Baugewerbe mit 8,5 Insolvenzen pro 10.000 Unternehmen, dicht gefolgt von den sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen, einschließlich Zeitarbeitsfirmen, mit 7,9 Insolvenzen. Das Gastgewerbe verzeichnete 7,2 Insolvenzen pro 10.000 Unternehmen.
Laut Allianz Trade lag der kumulierte Umsatz der insolventen Großunternehmen im ersten Halbjahr 2024 bei 11,6 Milliarden Euro und damit bereits über dem Wert des gesamten Vorjahres (11,5 Milliarden Euro).
Unternehmen mit hohem Energiebedarf sind von steigenden Energiepreisen und immer strenger werdenden Regulierungen besonders betroffen
Hohe Energiekosten und strenge Umweltauflagen wie die CO2-Bepreisung oder Vorgaben zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen erhöhen die Produktionskosten und beeinträchtigen die Wettbewerbsfähigkeit der energieintensiven Industrien Deutschlands im internationalen Vergleich. Ein konkretes Beispiel hierfür ist die Stahlindustrie, in der Konzerne wie ThyssenKrupp mit hohen Investitionskosten für die Umstellung auf CO2-ärmere Produktionsverfahren konfrontiert sind. Der Stahlriese hat bereits angekündigt, in Deutschland Stellen abbauen zu wollen.
Die deutschen Automobilhersteller müssen schnell auf die dynamische Situation im globalen Automobilmarkt reagieren
Automobilhersteller wie Volkswagen, Mercedes-Benz und BMW sehen sich genötigt, sich neu aufzustellen, um Margenverluste in einem sich verändernden Marktumfeld abzufedern. Wettbewerber aus China, insbesondere Unternehmen wie BYD, SAIC, Geely, Nio und Xiaomi, setzen durch fortschrittliche Technologien, kurze Entwicklungszeiten und eine kosteneffiziente Produktion neue Maßstäbe in der E-Mobilität.
Diese Situation ist für deutsche Hersteller ein Grund, ihre Standortentscheidungen, Innovationsstrategien und Produktpaletten zu überdenken, um wettbewerbsfähig zu bleiben.
Geopolitische Unsicherheiten wie Handelskonflikte mit China, wie die kürzlich von der Europäischen Kommission beschlossenen Sonderzölle auf chinesische Autos, lassen deutsche Hersteller Gegenmaßnahmen befürchten, da die deutsche Automobilindustrie rund 70 % ihres Umsatzes durch Exporte erwirtschaftet.
Die Umstrukturierung und der Rückgang der Aufträge von OEMs sind besonders beunruhigend für Zulieferer. Zahlreiche Automobilzulieferer wie Recaro Automotive, WKW und Eissmann Automotive haben in den letzten Monaten bereits Insolvenz angemeldet, während andere wie Bosch und ZF Friedrichshafen den Abbau von Arbeitsplätzen angekündigt haben. Laut einer Deloitte-Studie galten 2023 nur 56 % der betrachteten Automobilzulieferer als finanziell solide, was die Probleme der Zulieferindustrie verdeutlicht.
Die Zunahme der Erwerbslosigkeit und der hohe Krankenstand belasten die Wirtschaftsleistung
Mit der steigenden Zahl von Insolvenzen und dem Abbau von Arbeitsplätzen steigt auch die Arbeitslosenquote in Deutschland. Im Oktober 2024 lag die Zahl der Arbeitslosen um 183.000 höher als im Oktober des Vorjahres. Zwischen Oktober 2023 und Oktober 2024 stieg die Arbeitslosenquote von 5,7 % auf 6 %.
Neben der steigenden Arbeitslosenquote verzeichnet Deutschland auch einen Krankenstand in Rekordhöhe. Laut der Krankenkasse AOK wird die Zahl der Krankheitstage von Arbeitnehmern im Jahr 2024 einen neuen Höchststand erreichen.
Wie der AOK-Bundesverband mitteilte, wurden allein zwischen Januar und August 2024 225 Krankheitstage pro 100 Versicherte verzeichnet – so viele Krankheitstage wie im gesamten Jahr 2023. Laut dem Verband Forschender Arzneimittelhersteller (VFA) hat der deutliche Anstieg der Krankheitstage die deutsche Wirtschaft im Jahr 2023 in die Rezession getrieben. Laut dem Verband wäre die Wirtschaft ohne die krankheitsbedingten Ausfälle nicht um 0,3 Prozent geschrumpft, sondern um 0,5 Prozent gewachsen.
Vor kurzem kritisierten der Vorstandsvorsitzende von Mercedes-Benz, Ola Källenius, und der Vorstandsvorsitzende der Allianz, Oliver Bäte, die im Vergleich zu ihren ausländischen Standorten deutlich höhere Krankenquote in Deutschland und verkündeten, dass dies ein Problem für den Wirtschaftsstandort Deutschland sei.
Die Suche nach qualifizierten Mitarbeitern gestaltet sich schwierig
Der demografische Wandel macht Deutschland als Wirtschaftsstandort zunehmend unattraktiv, vor allem aufgrund des sich verschärfenden Fachkräftemangels.
Aufgrund der alternden Bevölkerung und der niedrigen Geburtenraten schrumpft das Arbeitskräftepotenzial stetig. Dies führt zu längeren Vakanzzeiten für offene Stellen, was sich wiederum auf die Produktivität und Innovationsfähigkeit der Unternehmen auswirkt. Es ist nicht ungewöhnlich, dass einige offene Stellen im IT-Bereich über 200 Tage lang unbesetzt bleiben. Diese langen Vakanzzeiten verursachen erhebliche Kosten und Wettbewerbsnachteile, was viele Unternehmen davon abhält, neue Investitionen in Deutschland zu tätigen.
Final Word
Die deutsche Wirtschaft steht vor gravierenden strukturellen Herausforderungen, die ihre Wettbewerbsfähigkeit und Stabilität gefährden. Hohe Energiekosten, strenge Regulierungen, Innovationsträgheit, eine wachsende Zahl von Insolvenzen und ein demografisch bedingter Fachkräftemangel bedrohen die Position des Landes als führende Industrienation. Um die Herausforderungen effektiv zu bewältigen, sind umfassende staatliche Reformen und Investitionen in neue Technologien, Bildung und Infrastruktur unerlässlich.