Key Takeaways
- Die extreme Trockenheit verändert für viele Branchen die operativen Rahmenbedingungen drastisch
- Die Niederschlagsmenge sinkt, während die Temperatur steigt und Extremwetterereignisse häufiger auftreten.
- Die Auswirkungen des Klimas auf die Landwirtschaft sind von Standortfaktoren und Bewirtschaftungsformen abhängig.
- Der Wald als Rohstofflieferant und Erholungsort leidet unter der Trockenheit, da sich Schädlinge und Krankheiten leichter ausbreiten können.
- Die Transportkapazität der Binnenschifffahrt ist bei Niedrigwasser stark eingeschränkt und mit ihr die Versorgungssicherheit von Teilen der deutschen Wirtschaft.
Das Klima im Wandel der Zeit
In den vergangenen fünf Jahren stieg die Jahresdurchschnittstemperatur fast durchgängig an. Allerdings unterlag sie dabei gewissen Schwankungen und erreichte insbesondere in den Jahren 2018 und 2019 Höchstwerte. Gleichzeitig bewegte sich die Niederschlagshöhe auf einem niedrigen Niveau. Zudem ließ sich eine quantitative und qualitative Zunahme an Extremwetterereignissen, wie Überschwemmungen, Stürmen und Hitzewellen, beobachten.
Diese Entwicklungen dürften sich auch in den kommenden fünf Jahren fortsetzen und gravierende Auswirkungen auf eine Vielzahl verschiedener Wirtschaftsbranchen und deren Produkte haben.
Der produktbezogene Wasserverbrauch
Für die Herstellung eines jeden Produkts wird eine entsprechende Menge an Wasser benötigt. Allein für die Herstellung eines PKWs werden – im globalen Durchschnitt – rund 400.000 Liter Süßwasser aufgewendet, wenn man die gesamte Wertschöpfungskette berücksichtigt. Das neue Tesla-Werk in Grünheide allein verbraucht mit 1,4 Milliarden Litern jährlich so viel Wasser wie eine Stadt mit 40.000 Einwohnern.
Die derzeit klimabedingt sinkenden Grundwasserstände in Deutschland dürften die Hersteller von Kfz und Elektrofahrzeugen langfristig vor Probleme stellen. Der Wasserverbrauch fällt je nach Produkt unterschiedlich hoch aus und gewinnt durch die Auswirkungen des Klimawandels auf bestimmte Branchen an Bedeutung.
Auswirkungen des Klimawandels auf die Landwirtschaft
Die Schwankungen der Intensität der Temperaturwerte und der Niederschlagsmengen wirken sich regional recht unterschiedlich auf die deutsche Landwirtschaft aus, denn die Erträge sind auch von der Wasserhaltefähigkeit des regionalen Bodentyps und vom Wasserbedarf beziehungsweise der Hitzetoleranz der Nutzpflanzen oder -tiere abhängig.
Laut dem Deutschen Wetterdienst (DWD) fällt 2022 die klimatische Wasserbilanz, also die Differenz von Niederschlag und Verdunstung, für weite Teile Deutschlands negativ aus. Dadurch trocknen die obersten Bodenschichten aus und die Grundwasserpegel sinken.
„Seit 2018 bis heute [2022] hatten wir eigentlich in den Regionen Brandenburg, Ostsachsen bis Berlin hoch, über Sachsen-Anhalt und Teile des Thüringer Beckens permanent ein Bodenwasserdefizit.“ Dr. Andreas Marx, Helmholtz Zentrum für Umweltforschung (UFZ)
Im aktuellen Jahr sank die Erntemenge beim Körnermais laut dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) gegenüber dem Vorjahr stark, während die des Winterraps und des Winterweizens, der rund 90 % des Getreideanbaus in Deutschland ausmacht, angestiegen ist. Diese Entwicklung ist auf den Zeitpunkt der pflanzenspezifischen Aussaat und Ernte zurückzuführen.
Dadurch schwächt sich das Umsatzwachstum der Branche des Anbaus von Getreide und Ölsaaten 2022 leicht ab. Die Trockenheit beeinträchtigt auch die Umsatzentwicklung der Branche des Anbaus von Gemüse und Kartoffeln, da die Kartoffelernte gegenüber 2021 trotz einer Ausweitung der Anbaufläche stark zurückgegangen ist.
In der Tierhaltung führen hohe Temperaturen zu hohen Energiekosten für die Branchenakteure der Milchkuhhaltung und der Schweinehaltung, denn das Stallklima muss auf einem konstanten Niveau gehalten werden, um Hitzestress für die Tiere und damit eine verringerte Futteraufnahme und erhöhte Krankheitsanfälligkeit zu vermeiden. Zudem schränkt die Trockenheit die Nutzung von Grünland ein, sodass teure Futtermittel hinzugekauft werden müssen.
Auswirkungen des Klimawandels auf den Wald
Seit Jahrhunderten wird der deutsche Wald vom Menschen zur wirtschaftlichen Nutzung kultiviert. Der Bedarf an schnell nachwachsenden Rohstoffen begünstigte die Entstehung von Monokulturen und verdrängte die naturnahen Mischwälder.
In Deutschland haben Nadelhölzer nach Angaben der Food and Agriculture Organization (FAO) der Vereinten Nationen einen Anteil von etwa 83 % am Holzeinschlag. Dabei machen laut der aktuellsten Kohlenstoffinventur allein die Kiefer und die Fichte zusammen fast die Hälfte des Baumbestandes aus.
Sowohl die Kiefer als auch die Fichte sind aber sehr anfällig gegenüber den Auswirkungen von Hitzewellen, Dürreperioden und Stürmen. Zwar können diese Baumarten Trockenstress über einen längeren Zeitraum tolerieren, doch breiten sich Schädlinge und Pilze aufgrund der Trockenheit rasant aus.
Ein entsprechender Befall schwächt die Bäume und macht sie anfälliger gegenüber Windwurf. Nach der Waldzustandserhebung des BMEL weisen etwa 80 % aller Bäume in Deutschland Schadsymptome auf. Im vergangenen Jahr mussten aufgrund von Insektenschäden mehr als 41 Millionen Kubikmeter Schadholz eingeschlagen werden. Damit hat sich der Anteil an von Insekten verursachten Waldschäden seit 2011 vervierfacht.
Die Forstwirtschaft muss nun resistente Baumarten im Anbau erproben und den Wald umgestalten. Davon würde auch der Tourismussektor in Deutschland profitieren, insbesondere die Branchen der Ferienunterkünfte und der Hotels, Gasthöfe und Pensionen, da das Waldsterben in vielen Regionen zu rückläufigen Besucherzahlen geführt hat.
Auswirkungen des Klimawandels auf die Binnenschifffahrt
Im Jahr 2021 beförderten Binnenschiffe rund 195 Millionen Tonnen an Gütern auf den Flüssen Deutschlands. Davon entfielen allein 138 Millionen Tonnen auf den Niederrhein und 19 Millionen Tonnen auf den Oberrhein. Transportiert werden Kohle, flüssige Mineralölerzeugnisse, Steine und Erden sowie Eisenerze und Erdgas.
Im aktuellen Jahr führte die extreme Trockenheit zu sehr niedrigen Pegelständen, sodass die Binnenschiffe ihre Transportkapazitäten nicht voll ausnutzen konnten, was wiederum die Versorgungssicherheit von Teilen der deutschen Wirtschaft gefährdete:
„Es ist nur eine Frage der Zeit, bis Anlagen in der chemischen oder Stahlindustrie abgeschaltet werden, Mineralöle und Baustoffe ihr Ziel nicht erreichen oder Großraum- und Schwertransporte nicht mehr durchgeführt werden können.“ Holger Lösch, Bundesverband der Deutschen Industrie
Die Branche der Binnenschifffahrt erhält zwar bei Niedrigwasser einen sogenannten Kleinwasserzuschlag, allerdings steht sie zusammen mit ihren Kunden vor großen Herausforderungen, da sich die Problematik durch voraussichtlich steigende Temperaturen und abnehmende Niederschlagsmengen in naher Zukunft noch weiter verschärfen dürfte.
Aus diesem Grund sehen sich Reedereien und Schiffbauer gezwungen, neue Schiffstypen zu entwickeln, die über einen geringeren Tiefgang bei gleichbleibender Ladekapazität verfügen.
Was birgt die Zukunft?
Die extreme Trockenheit dürfte langfristig die Energiewende in Deutschland gefährden, da zum einen Mais als wichtiger Rohstoff für die Erzeugung von Biogas durch die Trockenheit hohe Ernteverluste verzeichnet und zum anderen, weil die Wasserkraftwerke ihr Potential nicht ausschöpfen können. Der fortschreitende Klimawandel wird aber nicht nur die deutsche Wirtschaft mit zahlreichen Herausforderungen konfrontieren, sondern dürfte auch viele Bereiche der Gesellschaft betreffen.
So dürften steigende Temperaturen und häufiger auftretende Hitzewellen die Zahl der Sterbefälle unter älteren Menschen in Zukunft erhöhen, was sich, abgesehen von den menschlichen Tragödien, negativ auf die Umsatzentwicklung von Altenheimen auswirken dürfte. Zudem mindern hohe Temperaturen die physische und psychische Leistungsfähigkeit der Arbeitnehmer und -geber in allen Bereichen der deutschen Wirtschaft.
Der Klimawandel erfordert nicht nur von der Politik ein Umdenken, welche konkreten Rahmenbedingungen sie schaffen will, sondern auch, dass sich die Wirtschaft und die Verbraucher ihrer Verantwortung gegenüber der Natur bewusst werden.