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Die Auswirkungen der Coronavirus-Krise auf die Transportbranchen

Die Auswirkungen der Coronavirus-Krise auf die Transportbranchen

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Johannes Meichsner

Johannes Meichsner
Analyst Published 18 Mar 2022 Read time: 7

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18 Mar 2022

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7 minutes

Ein deutlich gestiegener Rohölpreis und erhebliche Nachfrageschwankungen auf Transportrouten sind Folgen der Pandemie

Die Coronavirus-Krise hatte den stärksten Einfluss auf das operative Geschehen im Transportgewerbe insbesondere zwischen dem Frühjahr und dem Herbst 2020. Weltweite Lockdowns und zwischenzeitliche Grenzschließungen sowie erhebliche Vorsichtsmaßnahmen erschwerten den Betrieb des Transportgewerbes enorm. Diese Einschränkungen lagen auch noch 2021 in abgeschwächter Form vor und dürften zu einem gewissen Grad auch noch das aktuelle Jahr betreffen. Insbesondere seit dem Herbst 2020 wirken sich zudem indirekte Effekte der Pandemie verstärkt auf das Transportgewerbe aus. Hierzu zählen stark erhöhte Rohstoffpreise und eine unterschiedlich schnell wieder anziehende Nachfrage. Die daraus resultierenden strategischen Ableitungen der Branchenakteure haben das Potenzial, die Strukturen des Transportgewerbes nachhaltig zu verändern, ebenso wie die Entscheidungen der Politik, die vor dem Hintergrund der Pandemie und des Klimawandels getroffen werden.

Betriebliche Einschränkungen

Die Pandemie hat außerhalb Asiens erst ab März 2020 zu Einschränkungen des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens geführt. Im Zuge eines ersten Lockdowns wurde, sofern möglich, für die meisten Büroangestellten eine Homeoffice-Pflicht eingeführt, wodurch sich die Anzahl der Pendler deutlich reduzierte und somit die Nachfrage nach Beförderungsleistungen im öffentlichen Nahverkehr erheblich sank. Allerdings sank die Passagierzahl auch, weil die übrig gebliebenen Pendler aus Angst vor einer COVID-19-Übertragung durch Aerosole verstärkt auf den eigenen Pkw auswichen. Seit April 2020 gilt im Nahverkehr deutschlandweit eine Maskenpflicht, ebenso wie seit Mai 2020 im Eisenbahnfernverkehr, wo es zwischenzeitlich zu Ausdünnungen der Verbindungen und ebenfalls zu einem signifikanten Einbruch der Passagierzahlen kam. Bei Flügen müssen die Passagiere je nach Reiseziel Antigen- oder PCR-Tests oder eine Impfung gegen Corona nachweisen, was zu einem erhöhten Kontrollaufwand an den Flughäfen führt.

Vor allem 2020 wurden viele Landesgrenzen zwischenzeitlich teilweise geschlossen bzw. es wurden deutlich verstärkte Grenzkontrollen zur Eindämmung der Pandemie eingeführt, was den Transport auf dem Landweg, insbesondere per Lkw, deutlich erschwerte. Dadurch gewann der Gütertransport auf dem Luftweg bereits zu Beginn der Pandemie erheblich an Attraktivität, da die Cargo-Fluglinien Grenzen problemlos überfliegen können und nur am Start- oder Zielflughafen staatliche Kontrollen stattfinden. Egal ob die Güterbeförderer im Straßenverkehr, in der See- und Küstenschifffahrt oder die Betreiber von Güterbahnen – sie alle hatten im ersten Halbjahr der Pandemie mit einem gesunkenen Frachtaufkommen infolge des Einbruchs des Produktionsvolumens der Industrie zu kämpfen, was wiederum niedrigere Frachtraten zur Folge hatte. Dadurch wurden viele vormals profitable Fahrten auf einmal unrentabel.

Rohstoffpreise und Frachtraten

Die Rohstoffpreise beeinflussen die wirtschaftlichen Aktivitäten des Transportgewerbes in mehrfacher Hinsicht. Am relevantesten sind sie jedoch in Bezug auf den Treibstoff und die Nachfrage nach Rohstofftransporten. Zwischen dem Frühjahr und dem Herbst 2020 wiesen die meisten Rohstoffe wie Rohöl, Kupfer oder Stahl ein deutlich reduziertes Preisniveau auf. Zwar vergünstigten sich bezogen auf den niedrigen Rohölpreis dadurch die Treibstoffkosten des Transportgewerbes, schwerer wog jedoch, dass bei einer gesunkenen Nachfrage nach Rohstoffen, was sich an deren niedrigem Preis zeigt, auch der Transportbedarf für diese geringer ausfällt.

Ab Herbst 2020 verkehrte sich die Situation jedoch ins Gegenteil. Da ab diesem Zeitpunkt viele Industriebetriebe relativ zeitgleich damit begannen, ihre Produktion wieder hochzufahren, wurden auch wieder erheblich mehr Rohstoffe und Zulieferteile geordert. In den Monaten zuvor waren die Lager hierfür durch die erheblich reduzierte Anzahl an Nachbestellungen nicht wieder aufgefüllt worden. Durch die ab Herbst 2020 kurzfristig gestiegene Nachfrage nach Rohstoffen und Zulieferteilen verteuerten sich zum einen deren Preise und zum anderen die Frachtraten für Gütertransporte. Dieses gehobene Frachtratenniveau liegt bis zum aktuellen Zeitpunkt vor.

Während sich auf dem Landweg die Frachtraten in den meisten Fällen nun wieder dem Vorkrisenniveau angenähert haben oder etwas über diesem liegen, ist insbesondere auf dem See- und Luftweg ein so deutlicher Engpass entstanden, dass die Frachtraten teilweise um das Fünffache über dem Vorkrisenniveau liegen. Langfristige Lieferverträge, die häufig noch vor der Pandemie geschlossen worden waren, haben hierbei den Anstieg der Frachtraten begrenzt. Auch zurzeit werden noch langfristige Verträge über den Transport von Gütern zwischen Frachtführern und ihren Kunden geschlossen, die das aktuell besonders hohe Frachtratenniveau nur bedingt widerspiegeln. Da nicht absehbar ist, wie lange genau das erhöhte Frachtratenniveau noch anhalten wird, ist es für Transportmittelbetreiber sinnvoll, Kunden langfristig zu binden und ihnen zumindest für die nahe Zukunft einen Preisnachlass zu gewähren.

Auch wenn das Transportgewerbe von der erhöhten Nachfrage nach seinen Dienstleistungen profitiert, so wird die Nachfrage auf sehr hohem Niveau durch den zurzeit hohen Rohölpreis gedämpft, da die daraus resultierenden erhöhten Treibstoffkosten an die Kunden des Transportgewerbes weitergegeben werden müssen. IBISWorld erwartet, dass das gehobene Rohstoffpreisniveau auch im aktuellen Jahr fortbestehen wird, wenn auch im Vergleich zu 2021 in etwas abgeschwächter Form. Zu den hohen Rohstoff- und Transportpreisen tragen nicht nur die Folgen der Pandemie bei, sondern bezogen auf Deutschland auch dem Umweltschutz dienende Maßnahmen wie eine Einbeziehung des Mineralölgewerbes und der Energiewirtschaft in den Emissionshandel und einen im internationalen Vergleich sehr hohen Anteil an erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung. Letzterer wird unter anderem durch die EEG-Umlage ermöglicht, die aber die Strompreise verteuert. Zudem wirkt sich der aktuelle Konflikt zwischen Russland und der Ukraine erhöhend auf die Rohstoffpreise sowie den Industriestrompreis aus.

Mittelfristige Folgen im Warentransport

Wenn die Pandemie größtenteils abgeklungen sein wird bzw. sich zu einer ähnlichen Bedrohung wie die einer normalen Grippe abgeschwächt haben wird, dann werden sich manche Branchen des Transportsektors wieder wie vor der Pandemie entwickeln, während andere sich nachhaltiger in ihrer Struktur verändert haben dürften. Aus volkswirtschaftlicher Sicht geht IBISWorld davon aus, dass unter Herausrechnung von kurzfristigen Erholungseffekten die wirtschaftliche Dynamik bzw. das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts in den Jahren nach der Pandemie geringer ausfallen wird, als es ohne sie der Fall gewesen wäre. Hierzu dürfte beispielsweise der pandemiebedingt deutlich gestiegene Verschuldungsgrad der Staaten und der Privatwirtschaft beitragen. Im Umkehrschluss bedeutet die voraussichtlich abgeschwächte wirtschaftliche Dynamik jedoch auch, dass die Akteure des Transportgewerbes nach der Pandemie über ein paar Jahre hinweg im Schnitt schlechtere Geschäfte machen werden als es ohne die Pandemie der Fall gewesen wäre.

Die Cargo-Airlines sind aktuell ein großer Profiteur der Pandemie, nicht nur, weil die Luftfrachtmenge generell in Relation zum Landtransport weniger an Transportvolumen verloren hat bzw. bereits relativ schnell sogar wieder das Vorkrisenniveau überschreiten konnte. Die erheblich gestiegenen Frachtraten in der Luftfahrt sind auch auf die signifikant reduzierten Kapazitäten der Passagierfluggesellschaften zurückzuführen. Schließlich wird in normalen Zeiten circa die Hälfte der weltweiten Luftfracht in den Laderäumen der Passagierairlines transportiert. Dieses Verhältnis dürfte sich in den kommenden Jahren wiederherstellen und die Cargo-Airlines werden sich dementsprechend wieder auf ein geringeres Umsatzniveau einstellen müssen.

Analog zu den Cargo-Airlines dürften auch die Seefrachtreeder ihr seit Herbst 2020 besonders hoch ausfallendes Umsatzniveau nach der Überwindung der Pandemie nicht halten können. Allerdings dürfte die Pandemie zu einer nachhaltigen Gesundung der Branche beigetragen haben. Im Jahrzehnt vor der Pandemie waren die Seefrachtreeder mit dem Abbau von Überkapazitäten beschäftigt. Diese Problematik dürfte durch die ertragreichen Pandemiejahre endgültig überwunden sein und zurzeit werden sogar wieder verstärkt neue Schiffe geordert. In der Binnenfrachtschifffahrt, die analog zum Landtransport nur in begrenztem Umfang von der Zunahme des Güterverkehrsaufkommens seit dem Herbst 2020 profitiert hat, hat der Einbruch des Güterverkehrsaufkommens im ersten Pandemiehalbjahr eher die Krise dieser durch im Zuge des Klimawandels häufiger auftretende Niedrigwasserphasen geschädigten Branche noch verstärkt.

Allgemein hat die Pandemie den Digitalisierungsgrad der Gesellschaft und Wirtschaft signifikant erhöht, da die Arbeitnehmer im Homeoffice zwangsläufig mehr Online-Anwendungen nutzen müssen und auch privat mehr Zeit im Internet verbringen und dort verstärkt Waren bei Online-Versandhändlern bestellen, die dann von Paketdiensten ausgeliefert werden. Auch nach der Pandemie dürfte nach Einschätzung von IBISWorld das erhöhte Umsatzniveau des E-Commerce bestehen bleiben und somit die dynamische Entwicklung der Paketdienste fördern. Bei den Speditionen hingegen wirkt sich die durch die Pandemie beschleunigte Digitalisierung von Prozessen differenzierter aus. Kleinen Speditionen fehlen die Ressourcen, um größere Investitionen in eine bessere Digitalkompetenz zu tätigen. Außerdem dürften in naher Zukunft große Digitalkonzerne verstärkt in das Speditionsgeschäft einsteigen und etablierte Wettbewerber verdrängen.

Mittelfristige Folgen im Personentransport

Bei den Passagierairlines dürften Günstigflieger infolge der Pandemie nachhaltig an Bedeutung gewinnen, da sie mit einem im Schnitt sehr jungen Flottenalter und einem geringeren Kerosinverbrauch in Zeiten hoher Rohölpreise im Vorteil sind sowie das voraussichtlich in den kommenden Jahren weiterhin eingetrübte Konsumklima Günstigflieger für viele Konsumenten attraktiver machen dürfte. Dies gilt ebenso für die Fernbuslinien, die zwar ihren Betrieb während der Lockdowns häufig eingestellt haben, aber nach der Pandemie von kostenbewussten Konsumenten profitieren dürften. Die Ausdünnung des Netzes und der Frequenzen der Überlandlinien, die zur gleichen Branche wie die Fernbuslinien zählen, dürfte hingegen nach der Pandemie noch schneller voranschreiten, da der Verschuldungsgrad der Kommunen im ländlichen Raum pandemiebedingt deutlich gestiegen ist und somit auch die Bereitschaft zu weiteren Kürzungen der Subventionen für Überlandlinien.

Im Gegensatz zu den Überlandlinien drohen im Eisenbahnfernverkehr aufgrund der Pandemie keine Kürzungen von staatlichen Mitteln. Hier wurde teilweise bereits vor der Pandemie vor dem Hintergrund des Klimawandels eine deutliche Erhöhung der jährlichen staatlichen Zuschüsse für diesen relativ umweltfreundlichen Verkehrsträger bis 2030 beschlossen. Die Pandemie dämpft hierbei die Erhöhung der Mittel höchstens.

Fazit

Es bleibt festzuhalten, dass die Folgen der Pandemie für das Transportgewerbe seit dem Frühjahr 2020, aber auch die daraus resultierenden voraussichtlichen zukünftigen Entwicklungen und strategischen Ableitungen, weitaus komplexer ausfallen, als es den mit dem Geschäft nicht vertrauten Beobachtern erscheinen mag. Manche Branchen wie die Paketdienstleister oder die Seefrachtreeder erleben durch die Pandemie sogar einen Sonderboom. Bei anderen Branchen wie der Passagierluftfahrt oder bei den Speditionen dürfte die Pandemie für nachhaltige strukturelle Veränderungen sorgen.

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